Das Kempkes Interview

Hallo Michael! Zuerst einmal beglückwünsche ich dich ganz herzlich zum Erscheinen der beiden neuen Bücher über den Guppy.
Ich habe beide Bände nach dem erhalten voller Staunen in die Hand genommen und zumindest oberflächlich durchgeblättert. Dies sind keine Bücher zum lesen, sondern man muss sie sich erarbeiten. Ich bitte Dich deshalb, einmal zu beschreiben, wie Du auf die Idee kamst, ein solches Standardwerk zu schreiben und wie der Werdegang des Entstehens der Bücher und der Idee dazu war!

Antwort: Vielen Dank für die Glückwünsche. Ich freue mich auch, nun nach etwas mehr als 9 Jahren Arbeit den Doppelband in gedruckter Form vor mir liegen zu haben. Auch die Glückwünsche anderer Guppyfreunde haben mich sehr gefreut. Die Idee, die hinter dem Werk steckt, ist einfach die, dass der Petzold-Band in letzter Auflage 1990 erschienen ist. Ohne jeglichen Zweifel ist es ein vorzügliches Guppybuch, das ich immer als mein Lieblingsbuch über meine Lieblingsfischart bezeichnet habe. Doch mittlerweile sind seit dem letzten Erscheinen 20 Jahre vergangen, in denen die Wissenschaft neueste Erkenntnisse über Guppys gewinnen konnte, man denke nur an die Beschreibung von Poecilia wingei und P. obscura oder die Erkenntnis, dass Guppys UV-Licht wahrnehmen können und dieses signifikant Einfluss auf die Partnerwahl hat. Darüber hinaus hat es auch in der Guppyzucht und in der Aquaristik faszinierende Entwicklungen gegeben. Die Guppyzüchter haben neue Zuchtformen entwickelt und diese vor allem in Vereinspublikationen beschrieben. Die Aquaristik ist eine expandierende Industrie, die neue, hochwertige Produkte bspw. Futter oder Medikamente entwickelt, und diese Fortschritte müssen sich in einem solchen Werk wiederfinden. Mir war es sehr wichtig, eine Brücke zwischen der Wissenschaft einerseits und den Guppyzüchtern andererseits zu schlagen. Wie wichtig so etwas ist und wie fruchtbar der Austausch zwischen den beiden Gruppen sein kann, die ich übrigens gar nicht immer so kategorisch voneinander abtrennen würde, haben die regelmäßigen Teilnehmer der Düsseldorfer Symposien gemerkt. Daraus sind immer wieder sehr konstruktive Kooperationen entstanden und nicht zuletzt auch die sehr informativen Symposiumsbände (Schmettkamp-Verlag, Tetra-Verlag). Durch das Einbeziehen der vielen unheimlich wertvollen Artikel zahlreicher namhafter Guppyzüchter (Großmann, Kaden, Kahrer, Kratochwil, Luckmann, Neuse, Osche, Dr. Schuster, um nur einige zu nennen) ist eine Brücke geschlagen worden und es macht vor allem den zweiten Band praxisorientierter. Zusammenfassend lässt sich das Ziel des Doppelbandes so umreißen, dass das gegenwärtige Wissen um die Guppys in Buchform dargestellt werden soll.

Frage: Bevor wir auf die Inhalte näher eingehen, müssen wir auf die unangenehme Sache mit dem Preis bei der Bestellung durch Amazon eingehen. Bitte, sei so gut und erkläre unseren Lesern, wie es dazu kommen konnte.

Antwort: Das war für mich als Autor kurz nach dem Erscheinen des Werkes fast wie ein Schock. Alle regten sich über den Verlag auf und warfen ihm Geldgier und Schlimmeres vor. Ich habe unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Probleme reagiert, indem ich sofort den Verlag informiert habe. Dieser reagierte ebenfalls erschrocken, denn es war ja nicht seine Schuld, sondern die des Internetbuchanbieters. Der Verlag hat bei „geprellten“ Kunden sehr gut reagiert und darüber hinaus auf seiner Homepage eine Klarstellung des Sachverhaltes veröffentlicht. Zum Glück ist die Geschichte aus der Welt. Die Vorgehensweise des Verlages hat einmal mehr gezeigt, dass die Westarp-Wissenschaftsverlags GmbH ein sehr seriöser und guter Verlag ist.

Frage: Michael, erste Kontakte mit anderen Lesern zeigen mir, dass viele erstaunt und unglücklich waren mit den vielen Wiederholungen innerhalb der einzelnen Kapitel. Ich selber halte das für sinnvoll und didaktisch sehr gelungen. Was ist Deine Aussage dazu?

Antwort: Du hast eingangs Deine Interviews völlig zu Recht gesagt, dass es sich nicht um Bücher zum Lesen, sondern zum Erarbeiten sind. Wer die einzelnen Kapitel mehrfach liest, wird irgendwann feststellen, dass bei thematischen Wiederholungen zumeist ein anderer Schwerpunkt vorliegt und zudem weitere Inhalte hinzukommen, so dass der Sachverhalt in einem anderen Zusammenhang wiedergegeben wird. Dies ist für die Erschließung der Inhalte teilweise nötig und führt hoffentlich dazu, dass zunehmend mehr Leser die Bänder inhaltlich für sich durchdringen können. Selbstverständlich ist das eine didaktisch sinnvolle Vorgehensweise.

Frage: Das erscheinen einer neuen, dritten Guppy Art hat in der Szene für großes Aufsehen gesorgt. Vielfach wird bezweifelt, dass die drei bisher bekannten überhaupt eigenständige Arten sind. Kannst Du uns etwas dazu sagen?

Antwort: Ich verstehe nicht, warum die Beschreibung einer dritten Guppy-Art in der Szene für so großes Aufsehen gesorgt hat. Die Arbeit von Schories et al. (2009) ist wissenschaftlich einwandfrei. Das Erstaunliche ist ja, als Fred Poeser, Isaäc Isbrücker und ich 2005 unsere Beschreibung von P. wingei veröffentlicht haben, sind wir trotz einer 17 (!) Seiten umfassenden Artbeschreibung als „Oldschooler“ bezeichnet worden, weil wir keine DNA-Untersuchungen vorgenommen haben; schließlich sei das doch die modernste Untersuchungsform. Nun legen Schories und Mitautoren eine Arbeit vor, der genau diese Untersuchungsmethode zugrunde liegt und nun werden wieder Zweifel laut. Ich glaube, dass da manche des Protestierens willen gegen sind. Nochmals zu P. wingei: Kein Geringerer als John Endler hat bereits 1975 gesagt, es handelt sich bei seinen in Cumana gefangenen Fischen nicht um die „klassischen“ Guppys (P. reticulata), die bis dato bekannt waren. Daran hat niemand Zweifel gehegt, schließlich war es ja ein amerikanischer Biologe! Nun haben die Würzburger Biologen um Susanne Schories anhand der modernsten Untersuchungsmethoden festgestellt, dass Cumana- und Campoma-Guppys identisch sind. Die Kritiken an den Artbeschreibungen kommen nur aus Deutschland; vermutlich gilt auch hier das Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt. Ich frage mich, ob es die Kritik bzw. die Zweifel an der Beschreibung P. obscura auch gäbe, wenn Amerikaner die Arbeit verfasst hätten. Ich hege keinerlei Zweifel an den Eigenständigkeiten der drei rezenten Arten, und halte es für gut möglich, dass es irgendwann zu Beschreibungen weitere Guppy-Arten kommen wird.

Frage: Ich persönlich glaube, dass wir hier mit den vielen ausgesetzten (Ich denke z.B. an Australien) Guppys noch große Überraschungen erleben werden, und es in Zukunft noch weitere Arten geben wird? Deine Meinung hierzu?

Antwort: Wir werden es natürlich nicht mehr erleben was aus den australischen, den indischen, den südafrikanischen oder auch den rheinischen Guppypopulationen wird, aber da Evolution ja nicht langsam, sondern vergleichsweise schnell erfolgt, lassen sich erste mikroevolutionäre Anpassungsprozesse auch jetzt schon feststellen. Ob sich irgendwann daraus eigene Arten entwickeln, muss über zahllose Generationen abgewartet werden. Das werden dann vielleicht unsere geistigen Urenkel erforschen können. Tendenzen zur Speziation liegen ja bereits dann vor, wenn sich signifikante Partnerwahlpräferenzen erkennen lassen.


Frage: Michael, besonders auffallend für mich als Züchter und auch sehr kontrovers sind die Aussagen zu den Hälterungstemperaturen. Ich gehöre zu denen, die Babys bis zum Alter von ca. 4 Wochen mit 28-29° aufziehen, danach kommen sie dann in die Aufzuchtbecken, wo die Temperatur ungefähr 24° beträgt. Ich habe mit niedrigeren Temperaturen sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Farben verblassen, Balzaktivität ist geringer, die Tiere wachsen schlechter und sind bei mir keinesfalls gesünder. Hier kommst Du zu teils anderen Aussagen. Wie sind Deinen eigenen züchterischen Erfahrungen hier?

Antwort: Hans-Peter, bitte lies meine Ausführungen auf Seite 467. Dort steht, dass jüngere Guppys bis zum Lebensalter von vier Wochen wärmer gehalten werden sollen (27-28°C). Das steht keineswegs konträr zu Deinen Aussagen bzw. Haltungsbedingungen. Ich habe im weiteren Verlauf des Unterkapitels Försters Beobachtungen wiedergegeben, der andere Erfahrungen gemacht hat. Dies habe ich deswegen ausführlicher dargestellt, weil zum einen Försters Ergebnisse sehr interessant sind und zum anderen ein möglichst umfassendes Bild dem Leser vermittelt werden sollen, dazu gehören auch scheinbar konträr zueinander stehende Erfahrungen verschiedener Autoren. Jeder Züchter wird seine eigenen Erfahrungen machen, und wenn Du in einer guten Arbeit Deine Erfahrungen zu den unterschiedlichen Temperaturen darstellst, so werde ich das gerne sehr aufmerksam wahrnehmen.


Frage: Ich gehe in vielem konform, was Deine Erkenntnisse die Fütterung und das Futter betreffend angeht. Jedoch habe ich bereits bei Bremer gelernt, dass nichts über natürliches Futter geht. Wobei hier ausschlaggebend ist, dass diese Futtertiere selber gut gefressen haben und somit unsere Guppys nicht nur mit Proteinen ernähren.. Jedoch bin ich auch der Meinung, Guppys müssen omnivor ernährt werden, und dürfen durchaus an einer Scheibe Gurke knabbern, oder an Obst. Auch Algenbewuchs auf den Pflanzen knabbern meine gerne ab. Ich selber vermeide die Verfütterung von Flocken und bevorzuge Granulat, wenn ich Kunstfutter verfüttere. Wie siehst Du das?

Antwort: Natürliches Futter ist für die Guppys im Aquarium selbstverständlich das Beste! Ich glaube auch, dass aus meinen Ausführungen zur Haltung von Wild- und Hochzuchtguppys im gesamten Kapitel 9 deutlich wird, dass ich grundsätzlich ein Verfechter einer am Vorbild der Natur orientierten Haltung bin. In meiner Zuchtanlage ist von Mai bis in den Oktober hinein Lebendfutter aus der Natur, also schw. Mückenlarven, Daphnien und Cyclops, das wichtigste Futter, das ich zufüttere. Das Grundfutter sind jedoch ganzjährig im Aquarium befindliche Algenrasen. Sie helfen über Fastentage hinweg und stellen darüber hinaus ein wunderbares Futter dar, auch deshalb, weil es sich die Guppys mühsam erarbeiten müssen. Damit sind sie gut beschäftigt, und beschäftigte Tiere neigen nicht so schnell zu agonistischen Handlungen. Aus meinen Ausführungen lässt sich ja bereits ableiten, dass ich ebenfalls der Ansicht bin, dass Guppys von Natur aus überwiegend einer omnivoren Ernährungsweise nachgehen.
Ob man nun Flockenfutter oder Granulat verfüttert, halte ich persönlich für eine Geschmacksfrage. Da sollte jeder Züchter aufmerksam beobachten, wie die Fische auf das gereichte Futter reagieren. Ich biete auch gerne industrielles Futter in Tablettenform an, weil die abweidenden Fische die Tabletten immer wieder verschieben, so dass der Nahrungserwerb nur über Mühen gelingt. Den jüngeren und weniger durchsetzungsfähigen Fischen gönne ich anschließend eine Alternativmahlzeit.

Frage: Michael, ich bin der Meinung, dass Aquarien mit Bepflanzung unseren Tieren wesentlich mehr entgegenkommt als reine, blanke Becken. Siehe die vorherige Frage, wo die Pflanzen zum abweiden von Algen usw. genutzt werden können. Auch hat sich bei mir der Einsatz von Kiesböden sehr bewährt, er stabilisiert die Becken doch sehr. Hier haben wir unterschiedliche Auffassungen. Deine Meinung?

Antwort: Nein, absolut nicht. Im Kapitel „Haltung“ werbe ich dafür, Vegetation in die Aquarien der Guppys einzubringen. Ich habe in jedem meiner Aquarien Wasserpflanzen (Cryptocorynen, Javamoos, Nixkraut, Teichlebermoos, Wasserlinsen). Kiesböden habe ich in nur zwei größeren Aquarien großflächig verteilt, ansonsten befindet sich der Bodengrund in den Pflanztöpfen und lediglich die übrigen Flächen sind frei, um diese besser reinigen zu können.


Frage: Für mich das überzeugendste Argument, Dein Buch zu kaufen sind die enormen Querverweise sowie die sehr umfangreiche Literatur und Quellenangaben. Auch das Glossar und die Register sind sehr gelungen. Was mir fehlt ist ein Bildregister. Kommt das in einer nächsten Auflage evtl. noch hinzu?

Antwort: Über ein Bildregister kann man sicherlich nachdenken. Ob das bislang fehlt, weiß ich nicht, da die Legende zu jedem Bild unmittelbar darunter bzw. daneben steht und auch der Name des Fotografen genannt wird. Ansonsten hoffe ich natürlich, dass vor allem die zahlreichen Informationen im Text der wichtigste Grund zum Erwerb der Bücher ist!

Frage: Ein ganz großer Verdienst besteht in den enorm vielen Tabellen und Tafeln, die beide Bücher beinhalten. Leider sind diese wegen des Umfangs häufig nur schlecht lesbar. Könnte man das ändern?

Antwort: Meinst Du, dass die Schrift zu klein ist?

Frage: Was bei Dir unter Zuchtmanagement fällt und nur in wenigen Zeilen abgehandelt wird ist in Wirklichkeit eine der allerwichtigsten Tätigkeiten für jeden Züchter. Ohne ein vernünftiges Zuchtmanagement ist nämlich auch eine kontinuierliche Beschickung der Ausstellungen unmöglich. Hier wäre evtl. eine ausführlichere Anleitung vonnöten. Oder?

Antwort: Auf Seite 541 findest Du ein paar einleitende Worte zum Zuchtmanagement. Dann erstreckt sich dieses Thema aber noch über fast fünf weitere Seiten (Planung & Dokumentation, Zuchtkarteien & Stammbäume). Mit Verlaub, aber ich kenne kein anderes Guppybuch, das so ausführlich auf diese Thematik eingeht. Darüber hinaus habe ich den Begriff des Zuchtmanagements im Zusammenhang mit der Guppyzucht auch noch nirgendwo anders gelesen – zumindest erinnere ich mich momentan nicht daran. Zu dieser Thematik habe ich übrigens auch auf Seite 543 die Planung der Ausstellungssaison und die damit einhergehenden rechtzeitigen Zuchtansätze aufgegriffen. Von daher weiß ich nicht so genau, was Dir noch fehlt.

Frage: Michael, mir persönlich fehlen ein wenig die direkten Aussagen zur Genetik, die einzelnen Stämme und Zuchtformen betreffend und deren direkte Umsetzung für die Praxis sowie Dinge wie mitochondriale Genetik und die neuesten Forschungen an und mit Guppys. Soll das in die nächste Auflage mit rein?

Antwort: Direkte Aussagen zur Genetik, zu den einzelnen Stämmen und Zuchtformen finden sich an unterschiedlichen Stellen in beiden Bänden wieder. Auf dieses Thema gehe ich gerne bei der nächsten, der letzten Frage näher ein. Ich will einmal stellvertretend für den Bereich der Genetik die Tabellen in Kapitel 8.3.1 und 8.3.2 herausnehmen. Darin finden sich ausschließlich Gene wieder, die bereits wissenschaftlich beschrieben worden sind. Es findet sich also bspw. kein Hinweis auf Lazuli, weil diese Deckfarbe noch nicht wissenschaftlich fundiert untersucht und beschrieben worden ist. Selbstverständlich haben sich namhafte Züchter mit dem Erbgang intensiv auseinandergesetzt und darüber seriös in Vereinsperiodika berichtet, aber das genügt keinen wissenschaftlichen Ansprüchen. Da es sich bei meinen Büchern um ein wissenschaftliches Werk handelt, kann ich nicht „wild herumspekulieren“. Letzteres habe ich natürlich etwas überspitzt formuliert.
Aber im Ernst: Philip Shaddock, dessen umfassendes, innovatives Wirken ich sehr schätze, hat es da etwas besser, denn er kann in seinen Büchern mehr spekulieren. Das tut er ja auch, obgleich er natürlich auch sehr gründliche Recherchen anstellt. Ich kann mich nur auf Sachverhalte beziehen, die bereits wissenschaftlich erklärt und beschrieben sind. Und genau deshalb lassen sich unsere Bücher überhaupt nicht miteinander vergleichen. Ebenso wenig wäre ein Vergleich zwischen den Büchern von Anne E. Houde oder Anne E. Magurran einserseits und H.-G. Petzold andererseits zulässig, denn die Autoren haben doch jeweils ganz andere Intentionen. Wenn ich Shaddock richtig verstehe, so liegt ja sein Schwerpunkt bei den zahllosen Zuchtformen und deren Vererbung. Er leistet dort seit vielen Jahren auf hohem Niveau Pionierarbeit. Ich habe mich auch um die Klärung genetischer Zusammenhänge bemüht, aber das ist nur eines meiner Arbeitsgebiete an und mit den Guppys. Generell interessiert mich alles was mit Guppys zu tun hat. Mit meinen beiden neuen Büchern wollte ich das gegenwärtige Wissen um die drei Guppy-Arten zusammentragen. Dazu habe ich sehr viel gelesen und recherchiert, aber auch eigene Beobachtungen und Untersuchungsergebnisse einfließen lassen.
Vielleicht wäre es ja mal ganz reizvoll zusammen mit Philip Shaddock, Franz-Peter Schaffrath und anderen etwas zu publizieren…
Die mtDNA muss in einer zweiten Auflage sicherlich ausführlicher thematisiert werden; leider kam die Beschreibung P. obscura von Schories et al. erst nach der eigentlichen Fertigstellung des Manuskriptes im Oktober 2009. Wegen der Wichtigkeit dieser Arbeit, habe ich dann einzelne Bereiche und Kapitel nochmals umgeschrieben. Das Beispiel mit der mtDNA und deren mittlerweile erlangte Bedeutung zeigt auf, dass die biologischen Wissenschaften hochdynamisch sind. Gegenwärtig sind die Bände (fast) auf dem aktuellsten Stand, aber in drei, vier, fünf Jahren sieht es vielleicht schon wieder anders aus. Möglicherweise haben wir dann bereits eine vierte oder fünfte Guppy-Art… Wer weiß das schon? Der von mir sehr geschätzte Professor Dr. Greven hat mir zu meinem Vorhaben, der Veröffentlichung der vorliegenden Guppy-Monografie, folgende zwei Grundaussagen mit auf den Weg gegeben:
  1. Die gegenwärtige wissenschaftliche Guppy-Literatur ist so unübersichtlich geworden, dass es keinem Menschen gelingen kann, ein nahezu vollständiges Werk über Guppys zu schreiben.
  2. Ein persönlicher Rat: „Haben Sie Mut zur Lücke“
Beinahe täglich erscheinen neue Arbeiten, so dass es wirklich nicht möglich ist „alles“ in einem Werk wiederzugeben. Ich habe mich dennoch darum bemüht und wollte allenfalls einige wenige kleine Lücken zulassen. Ob mir das gelungen ist, müssen die Leser beurteilen.

Frage: Zum Abschluss sei mir noch eine sehr persönliche Einschätzung erlaubt. Der erste Band gefällt mir persönlich sehr viel besser als der zweite Band. Ich habe so was noch von keiner anderen Fischart gelesen, und ich habe wirklich viele Bücher und eine umfangreiche Bibliothek. Nur Anne Houde kommt dem nahe. Der zweite Band ist gut, aber z.B. Jandeck hat mehr zu den einzelnen Stämmen geschrieben, reicht aber nicht an die Sorgfalt und Wissensvermittlung bei Dir heran.
Alles in allem, ich wünsche beiden Bänden eine sehr weite Verbreitung, und hoffe inständig auf einen neue, überarbeitete zweite Auflage, welche die wenigen Schwachpunkte auch noch beseitigt. Ich bin absolut sicher, der Kempkes wird den Petzold als Standardwerk für Guppyzüchter ablösen!

Antwort: Das Lob auf Band 1 freut mich und ich bedanke mich sehr herzlich dafür, allerdings teile ich nicht die Einschätzung, dass Band 1 „viel besser“ als der zweite Band ist. Ich teile ebenfalls nicht die Einschätzung, dass zu den einzelnen Stämmen zu wenig zu finden ist. Man darf an dieser Stelle nicht Band 2 separat sehen, sondern muss auch Band 1 hinzuziehen. Dort findet sich ja bereits beginnend mit Seite 68 bis hin zu Seite 79 einiges Grundlegendes zu den Grund- und Deckfarben sowie zur Pigmentierung der Flossen. Darüber hinaus wird dann in Kapitel 8 weiter auf Stämme, Farben und Flossenformen eingegangen. Dies setzt sich fort in den Unterkapiteln 10.10.1 und 10.10.2, in denen es um spezifische Zuchtprobleme bei den Flossenformen, den Grund- und Deckfarben geht. Schließlich werden die wichtigsten Hochzuchtstämme in Kapitel 12 ausführlich besprochen. Wer also beispielsweise etwas über Japan Blue lesen möchte, wird an vielen Stellen in beiden Bänden fündig (s. Register); die thematischen Ansätze und Zusammenhänge sind nur jeweils andere. Ich bin mir sicher, Hans-Peter, sobald Du und mit Dir viele andere Leser die Phase des „oberflächlichen Durchblätterns“ – so bezeichnetest Du das ja eingangs Deine Interviews – durchlebt und Du mehr und mehr die Strukturen der Bände durchschau hast, wird sich Dir dies ganz automatisch erschließen. Wie bereits richtig von Dir dargestellt, die Bände müssen angesichts der Themendichte erarbeitet werden.
Band 2 halte ich auch deshalb für ebenso wichtig wie Band 1, weil bspw. bestimmte zuchtrelevante Themen sehr ausführlich besprochen werden. In einigen vorherigen Fragen haben wir uns ja über die Haltung schon ausgetauscht, aber auch die Fragen nach Zuchtansätzen oder das Für und Wider einer geschlechtshomogenen bzw. geschlechtsheterogenen Aufzucht werden m. E. sehr ausführlich erörtert.
Ich wünsche mir natürlich auch, dass ich irgendwann eine zweite, überarbeitete und aktualisierte Ausgabe veröffentlichen kann, da ich bereits einige neue Ideen habe. Sicherlich werde ich auch Kritikpunkte aus Rezensionen berücksichtigen.
Es geht - um das abschließend festzuhalten - nicht darum, ob „der Kempkes“ „den Petzold“ als das Standardwerk ablöst. Ich würde auch heutzutage jedem angehenden Guppyzüchter u.a. zum Petzold-Band raten, denn generell kann man nicht genug über Guppys lesen und manche Sachverhalte werden von Autoren anders betrachtet und dementsprechend unterschiedlich dargestellt. Darin liegt die große Chance, bestimmte Sachverhalte selbst zu untersuchen. Nicht umsonst habe ich in Band 2 ein kleines Kapitel „Der Guppyzüchter als Forscher“ eingefügt. Wenn meine beiden Bücher zu Untersuchungen und Beobachtungen durch Liebhaber anregen, und sich daraus dann neue Erkenntnisse über unsere geliebten Guppys ergeben, dann hat mein Werk seine Ziele allemal erreicht.